An einem Freitag im September…

Pankow. An einem Freitag im September probieren wir das „An einem Sonntag im August“.
Aber lest selbst.

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Sie sieht es Norman:

U-Bahn Eberswalderstraße, eine verkehrsum- besser -durchtoste Straßenkreuzung, dann die Kastanienallee, jene sagenumwobene Flaniermeile des neuen Berlin, damals, in den frühen 1990er Jahren. Hier liegt, gleich linker Hand und doch gefühlt schon weit weg von der hektischen Kreuzung, das Café „An einem Sonntag im August“.

Drinnen wird jener Prenzlauer-Berg-Look bewahrt/erzeugt/simuliert − wer mag das schon zu unterscheiden? − der mir stets fremd geblieben ist, um den ich mich, schließlich als Erwachsener nach Berlin gekommen, aber zugegebenermaßen auch nie bemüht habe. Irgendwie erinnert mich das Lokal ein wenig an „Mein Haus am See“, nur ist es heller hier. Ah, es ist das Holzgestell, das sich treppenartig erhebt und Sitzgelegenheit, Tisch und Bücherregal zugleich ist. Ansonsten zusammengewürfelte Sitz- und Tischmöbel und die kieztypische Zurschaustellung des Runtergekommenseins. Praktischerweise stellt sich diese ja von Tag zu Tag in größerem Umfang selbst ein; schwierig wird es erst, wenn ein bestimmter Grad von Verfall konserviert und − schöne Paradoxie! − immer wieder neu hergestellt werden muss.

Der Barista hat einen Hipsterbart, der Kellner einen Dutt. (Ich fühle mich wie in einer Erzählung von @nouveaubeton!) Die Karte ist breit aufgestellt und bietet auch beim Kaffee nicht nur das Alltägliche.

In der ersten Runde bestelle ich White Caffè Mocha, eine Kreation aus flüssiger weißer Schokolade, Espresso, heißer Milch und einer Sahnekrone. Gut, aber sehr süß. Ludwig bestellt einen Cappuccino, den er als sehr milchig und mit „erkennbar Single-shot“ charakterisiert.

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Die zweite Runde besteht für Ludwig natürlich aus einem Caffè Bombon, der schön anzusehen ist, beherzt durchgerührt und mit Genuss getrunken wird. Ich nehme einen sehr guten Espresso Macchiato, zu dem leider kein Wasser kommt. Es gibt auch keine Kekse, was wir aber beide nicht vermissen.

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Fazit: ordentlicher Kaffee, freundlicher, etwas träger Service; für mich kein Place to be.

Und das sagt Ludwig:

„An einem Sonntag im August“ liegt direkt auf dem Weg von meinem Büro nach Hause und ich fahre täglich zweimal daran vorbei – also außer, ich habe mal wieder mein Ladekabel auf dem Schreibtisch vergessen. Dann fahre ich viermal dran vorbei. Mir war jedenfalls schnell klar: Eine Location, die so einen Namen hat, ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

Und um das Urteil schonmal vorweg zu nehmen: Ich wurde nicht enttäuscht.

Eigentlich muss man sagen, kann man das Café nur der Einfachheit halber als ein solches bezeichnen, denn eigentlich ist es eine Mischung aus Bar und Café. Es finden sich schwere Ledersofas, klassische Café-Stühle und kleine runde Tische ebenso wie Barhocker und Holzcubes, die wie zu Sitzelementen umgewidmete Bücherregale wirken (inklusive der Bücher natürlich).

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Es ist schwierig, einen Gesamteindruck zu beschreiben, weil jede Ecke anders ist. Die Bar ist eine Bar, die ein bisschen aussieht wie ein großer Garderobenspiegel, mit kleinen Lampen umrandet.

Dann gibt es eine Ecke, die unfertig wirkt, eine weiße Wand, auf die man vermutlich etwas mit dem gegenüber an der Decke angebrachten Beamer projizieren kann.

Außerdem der erwähnte Stuhl- und Sofabereich, sowie die Lesecubes und schließlich auch noch einen mit einer Glaswand abgetrennten Raucherbereich. Der stört natürlich nicht, müsste für mich intoleranten und notorischen Nichtraucher aber nicht sein.

Zwei Skurrilitäten sind unbedingt erwähnenswert: direkt gegenüber von uns befindet sich ein mit einem Geländer umrandetes…naja…Loch im Boden, das ein bisschen an einen Bühnenschacht erinnert, aus dem sich Megastars herausheben oder –schießen lassen. Man kann nicht wirklich sehen, was dort unten ist – vermutlich die Küche – jedenfalls weist ein Schild mit der Aufschrift „Staff only“ darauf hin, dass dies ein Bereich hinter den Kulissen sein soll.

Und ebenfalls bemerkenswert sind – und das ist für mich ja immer ein wichtiger, weil vielsagender Aspekt – die Toiletten. Sie befinden sich hinter einer mit Kreide beschrifteten Tür und durchschreitet man diese, weiß man zunächst nicht, wohin man soll. Denn weder das Männchen– noch das Weibchensymbol ist auch nur andeutungsweise zu erblicken. Man ist inzwischen ja gewohnt, dass diese Hinweise bisweilen so stark stilisiert sind, dass man einiges an Interpretationsverständnis braucht, um sich vor einer eventuell peinlichen Situation zu bewahren, aber wenn man so gar keinen Hinweis hat…

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Vielleicht habe ich es auch einfach übersehen, denn der Toilettenbereich besteht aus – naja urbaner Wandmalerei und wirkt schon wieder so gewollt, dass man den Eindruck bekommt, sich in einer Filmkulisse zu befinden. Urbaner geht es eigentlich nicht.

Das Schöne an „An einem Sonntag im August“ ist, dass man nicht genau weiß, was hier jetzt alles gewollt ist, was genau so gehört und was eher zufällig so ist wie es ist.

Und auch die Musik wechselt vom nachmittäglicher Klaviermusik zu frühabendlichem Chillout, Deephouse und House.

Das Café (wir nennen es jetzt mal konsequent so) ist so unstrukturiert wie ein Sonntag sein sollte. Es lebt in den Tag hinein und lädt seine Gäste dazu ein, es genauso zu tun. Dabei zeigt es eine liebevolle Gelassenheit, die haarscharf an Gleichgültigkeit vorbeischrammt – ohne allzu schlampig zu wirken.

Achja – und das W-Lan-Passwort, das auf einem unscheinbaren DIN-A4 Zettel an eine weiße Säule getackert ist, funktioniert einwandfrei.

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Man kann übrigens auch draußen sitzen – wenn auch sehr nah an der viel befahrenen Kastanienalle – und kann dort zwischen Stühlen und Hollywoodschaukel wählen.

Natürlich fragt man sich, wie genau das Lokal eigentlich zu seinem Namen kommt – und findet ganz dezent einen Hinweis in einer kleinen Ecke der Getränkekarte. Näher erklärt wird es nicht.

Aber an einem entspannten Sonntag im Sommer fragt man nicht nach Erklärungen.

Ein Kommentar zu “An einem Freitag im September…

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